Neue Verkehrsregeln und Signalisationsvorschriften

Blinden- und Sehbehindertenverband (SBV) enttäuscht über Bundesratsentscheid

Bern, 20. Mai 2020. Der Schweizerische Blinden- und Sehbehindertenverband SBV ist sehr enttäuscht, dass der Bundesrat beschlossen hat, Kindern bis 12 Jahre künftig zu erlauben, auf dem Trottoir zu fahren, wenn es keinen Radweg oder Radstreifen gibt. Diese Massnahme gefährdet die Sicherheit von sehbehinderten Menschen.

Dass der Bundesrat entschieden hat, Kinder bis 12 Jahre mit dem Velo auf dem Trottoir fahren zu lassen, ist für blinde und sehbehinderte Menschen in der Schweiz eine Hiobsbotschaft. Wenn künftig Velos auf den Trottoirs verkehren dürfen, stellt dies für diese eine erhebliche Gefahr dar. Sie können die Velos nicht erkennen und werden durch deren Bewegungen zusätzlich verunsichert. Velos fahren lautlos, sind aber in der Regel schneller unterwegs als zu Fuss Gehende. Kollisionen und Unfälle sind praktisch vorprogrammiert. Erschwerend kommt hinzu, dass Kinder oft noch nicht adäquat auf Bewegungen anderer Personen auf dem Trottoir reagieren können.

Blinde und sehbehinderte Menschen sind darauf angewiesen, die von ihnen genutzten Wege möglichst hindernisfrei begehen zu können. Schon heute gleicht ihr Weg häufig einem Spiessroutenlauf, stellen doch unachtsame Passanten, verstellte Leitlinien und unerwartete Hindernisse Gefahrenquellen dar. Nun kommt eine weitere hinzu. Der Bundesrat begründet seinen Entscheid damit, die neue Regelung helfe, Unfälle von Kindern mit Autos zu verhindern und diene somit der Verkehrs­sicherheit. Für Martin Abele, Bereichsleiter Interessen­vertretung beim Blinden- und Sehbehindertenverband, ist dies unhaltbar: «Es darf nicht sein, dass die Sicherheit von sehbehinderten Menschen gefährdet wird, um Sicherheitsprobleme auf den Strassen zu lösen.»

Der SBV fordert den Bundesrat und das Bundesamt für Strassen (ASTRA) dringend auf, flankierende Massnahmen zu beschliessen. Einerseits muss Kindern in der Schule das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme mit Fokus auf Menschen mit Mobilitätsein­schränkungen vermittelt werden. Andererseits sollten die Änderungen und die flankierenden Massnahmen nach einer gewissen Zeit mit verschiedenen betroffenen Gruppen ausgewertet werden. Zudem schlagen wir vor, eine barrierefreie Plattform einzurichten, auf der Konflikte im Fussgängerbereich gemeldet werden können. Damit die Zahl der Konfliktpunkte möglichst rasch verringert werden kann, fordert der SBV den Bundesrat auf, für eine speditive Umsetzung des neuen Veloweggesetzes zu sorgen. Je weniger Lücken im Velowegnetz es gibt, umso geringer wird auch die Zahl der Stellen, wo Kinder aufs Trottoir ausweichen müssen, bzw. dürfen.In der Schweiz leben über 375'000 (Tendenz steigend) Personen mit einer Sehbehinderung. Als nationale Selbsthilfeorganisation der blinden und sehbehinderten Menschen in der Schweiz vertritt der SBV zusammen mit den anderen Blindenorganisationen die Interessen der betroffenen Menschen im ganzen Land.

Kontakt
Martin Abele, Bereichsleiter Interessenvertretung
Tel. 031 390 88 17 martin.abele@sbv-fsa.ch