Studium und Behinderung: Für einen echten Dialog mit den Betroffenen!

Drei offene Briefe, zahlreiche kritische Medienbeiträge und grosse Irritation bei Menschen mit Behinderung: Das war das Resultat eines Interviews, das die Zürcher Studierendenzeitung im Herbst 2023 mit Rektor Michael Schaepman geführt hatte (unseren Bericht dazu finden Sie in den Links). Besonders die Wortschöpfung «Vorteilsausgleich» für eine angeblich übertriebene Kompensation wurde von Studierenden mit Behinderung angesichts der tatsächlich erfahrenen Nachteile und des dauernd geleisteten Zusatzaufwandes als Hohn empfunden. Direkte Gesprächsangebote der Studierenden und von Seiten der Behindertenorganisationen schlug die Universitätsleitung vorerst aus.

Als Antwort auf die Kritik wurde für den 15. März 2024 stattdessen ein öffentlicher Informationsanlass organisiert, um den Stand der Inklusion und Gleichstellung an der Universität Zürich sowie die bereits geplanten Schritte darzulegen. Als Teil der Veranstaltung stellte sich die Vize-Rektorin Gabriele Siegert ausserdem einer Podiumsdiskussion und den Fragen der Teilnehmenden im Saal. Im Namen des SBV und der Behindertenkonferenz Zürich (BKZ) leistete unser Verbandsvorstandsmitglied Luana Schena einen engagierten Beitrag in dieser Runde.

Studierende für «wahre Inklusion statt Schein-Events»

Die Veranstaltung begann mit Misstönen. Während der Einleitungsrede des Rektors drehten ihm die anwesenden Studierenden demonstrativ den Rücken zu, um gegen das Fehlen eines echten Dialogs zu protestieren. Kritisiert wurde unter anderem, dass der offene Brief der Studierendenschaft auch nach fünf Monaten unbeantwortet blieb und dass die Betroffenen im Vorfeld des Anlasses kaum einbezogen wurden. Die Kritik richtete sich explizit nicht an die Mitglieder der Kommission Studium und Behinderung, sondern ausschliesslich an die Universitätsleitung.

Ähnlich äusserten sich die Podiumsteilnehmenden in der anschliessenden öffentlichen Diskussion: Nebst Luana Schena und Vize-Rektorin Gabriele Siegert waren dies Benjamin Börner, Leiter der Fachstelle Studium und Behinderung, und Laura Galli, für den Verband der Studierenden der Universität Zürich VSUZH. Zwar wurde positiv konstatiert, dass sich zahlreiche Personen für Studierende mit Behinderung engagieren. Aber gerade viele Verantwortliche aus der Universitätsleitung würden mangelnde Sensibilität zeigen.

Design für alle und inklusive Kultur als Führungsaufgabe

Die Diskussion drehte sich insbesondere um bauliche Massnahmen und digitale Barrierefreiheit. So soll zwar mit dem Projekt «UZH Accessible», das die Vize-Rektorin präsentierte, bis 2025 mehr Barrierefreiheit verwirklicht werden. Allerdings erweise sich der Denkmalschutz bei baulichen Anpassungen als grosses Hindernis. Und bei Softwarebeschaffungen oder beim Nachteilsausgleich erschwere die Autonomie der einzelnen Fakultäten Fortschritte. Der Hinweis von SBV-Präsident Roland Studer aus dem Publikum, dass die UNO-Behindertenrechtskonvention eindeutig über einem kantonalen Universitätsgesetz stehe, fand viel Anklang. Wie auch seine wichtige Feststellung: Barrierefreiheit ist nicht ein Kriterium unter vielen – sondern schlicht und einfach ein Muss.

Zahlreiche weitere Wortmeldungen kritisierten, dass die Universitätsleitung Inklusion offenbar als Kostenfaktor für eine Minderheit betrachte. Der richtige Grundsatz wäre stattdessen «Design für alle». Luana Schena illustrierte das anhand der Vorlesungspodcasts: Aufgrund ihrer Sehbehinderung sei sie wesentlich darauf angewiesen. Die Podcasts seien aber nicht nur ein Nachteilsausgleich, sondern auch ein grundsätzliches Instrument zur Gleichstellung, etwa für Studierende mit Betreuungspflichten.

Die Podiumsteilnehmenden und viele Anwesende im Saal waren sich einig: Eine inklusive Kultur ist eine wesentliche Führungsaufgabe. Sei es, dass Dozierende und Administrationspersonal genügend sensibilisiert werden, dass ein Nachteilsausgleich möglichst unbürokratisch gewährt wird oder dass nur barrierefreie Software bestellt wird – alles hängt davon ab, dass auf der Führungsebene die richtigen Pflöcke eingeschlagen werden. Wenn Inklusion ernsthaft angestrebt wird, findet sich auch ein Weg.

 

Bildquelle: SBV / Simon Bart